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Archive for März 2011

Gebet für Japan

Seit etwas mehr als einer Woche verfolgen viele von uns mit grosser Anteilnahme, aber auch mit Angst und Schrecken die Ereignisse in Japan. Morgen werde ich auch den Sonntagsgottesdienst in unserer Kirchgemeinde dem Gebet für die Menschen in Japan widmen.

Die Frage der Schriftgelehrten nach einem Zeichen aus Mt 12,38-42 ist der Bibeltext für diesen Sonntag. Mit dem rätselhaften Hinweis auf das Zeichen des Jona antwortet Jesus den Schriftgelehrten. Drei Dinge sind es, die ich heute in diesem Text höre:

1. Es gibt kein Zeichen. Wer aus den Ereignissen in Japan Weltuntergangsszenarien ableiten möchte oder darin die Erfüllung apokalyptischer Prophezeiungen sieht, hat nichts verstanden. Deshalb bin ich auch froh, dass solche Deutungen in den letzten Tagen nicht zu hören waren. Was hier geschieht, fordert nicht Deutungen, sondern Mitgefühl und Anteilnahme.

2. Der Hinweis auf Jona bedeutet für mich eine Frage an unseren Lebensstil. Welche Risiken sind wir bereit einzugehen für unseren Lebensstil, unseren grenzenlosen Hunger nach billiger Energie? Ist es nicht höchste Zeit für einen Wandel unseres Lebensstils? Diese Fragen sind wichtig, auch wenn angesichts des unermesslichen Leids, die Ereignisse in Japan nicht einfach für unsere Energiedebatten eingespannt werden dürfen.

3. Das Zeichen ist der Menschensohn, also Jesus selbst in seiner Hingabe und seinem Leiden. Und das Zeichen sind wir selbst, wo wir uns berühren lassen vom Leid, wo wir solidarisch werden und uns mit Lebensmut und Hoffnung erfüllen lassen.

 

Diese Anteilnahme in Worten und Taten steht im Moment im Vordergrund. Zuhören, was die Menschen in Japan selbst zu sagen haben, ist dabei vielleicht der beste Weg. Deshalb werde ich in meiner Predigt Passagen aus dem Tagebuch der Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Tokio und Yokohoma Elisabeth Hübler-Umemoto weitergeben, die aus ihrem Blog aus Japan stammen. Den Hinweis darauf verdanke ich Wolfgang Vögele.

Ihre Gedanken und Erfahrungen können uns einen Einblick geben, wie Menschen in Japan diese furchtbaren Ereignisse, das Leid und die Angst erleben. Was bleibt uns, die wir das Geschehen nur hilflos aus der Ferne mitverfolgen können? Mit Spenden und mit Gebeten können wir den Menschen in Japan verbunden sein. Wir können die Ereignisse zum Anlass nehmen, unseren eigenen Lebensstil und unseren Energiehunger zu überdenken und uns fragen, welche Risiken wir dafür in Kauf nehmen und unseren Kindern und Enkeln aufbürden wollen. Wir können uns besinnen auf das eigentlich Wichtige: die anderen Menschen, die Beziehungen, das miteinander Teilen von Gedanken, Gefühlen. Wir können beten um die Gegenwart Gottes, die uns Kraft und Gelassenheit gibt, uns begeben in die Obhut des Unverfügbaren. 

Widerspruch, Papst Benedikt

4. März 2011 5 Kommentare

Als Vorabdruck im Feuilleton der ZEIT v. 3.3.2011 ist ein Auszug aus dem Buch „Jesus von Nazareth. 2. Teil“ von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. zu lesen. Wie schon die Überschrift besagt, gipfeln die Erwägungen Benedikts zur Chronologie von Jesu Abendmahl in der Feststellung „Christus ist das Neue“. Er hält die johanneische Chronologie für die historisch zutreffende. Dann war Jesu Mahl mit seinen Jüngern kein jüdisches Passamahl. Vielmehr sei es ein Mahl gewesen, dass Jesus im Wissen um seinen bevorstehenden Tod mit seinen Jüngern gefeiert habe. Nach der johanneischen und laut Ratzinger auch historisch zutreffenden Chronologie, sei Jesus genau zu der Zeit gestorben als im Tempel die Passalämmer geschlachtet wurden. Daraus zieht Ratzinger weitreichende Schlüsse: „Das Wesentliche dieses Abschiedsmahles war nicht das alte Pascha, sondern das Neue, das Jesus in diesem Zusammenhang vollzog. (…) Es war Jesu Pascha.“
Auch wenn man die johanneische Chronologie für historisch zutreffend hält, lässt sie nicht derart weitgehende Schlüsse zu. Ein Hauptproblem sehe ich darin, dass hier aus historischen Argumenten vorschnell theologisch-dogmatische Folgerungen gezogen werden. Jesu Todesbewusstsein ist ein theologisches Postulat und kein historisches Faktum. Dass er für die christliche Gemeinde zum wahren Passalamm geworden ist, das ist die Deutung der christlichen Gemeinde. Implizit unterstellt Ratzinger aber, dies sei Jesu eigenes Verständnis dieses letzten Mahles gewesen, was in meinen Augen historisch unzulässig ist.
Diese Zusammenschau dogmatischer und historischer Lektüre der Evangelien war schon ein Grundproblem des 1. Teils von Benedikts Jesus-Buch. Aber hier wird diese Problematik besonders deutlich. Und sie hat Folgen: Aus Jesus, dem Juden, wird so unter der Hand ein Jesus, der seines jüdischen Kontextes beraubt, quasi zum „historischen Christus“ gemacht wird. Die Deutung seiner Person, die den Glauben der Gemeinde auf dem Hintergrund wachsender Auseinandersetzungen mit dem Judentum in der Zeit nach 70 n.Chr. spiegelt, wird in die Zeit des historischen Jesus zurückverlegt.
In meinen Augen fällt damit Ratzinger/Benedikt XVI. hinter den Stand der exegetischen Forschung und vor allem hinter den Stand des jüdisch-christlichen Dialogs zurück. Mit der Betonung des Gegensatzes von alt und neu und der Charakterisierung Jesu als das „wahre Passalamm“ kehrt das Bild einer Überwindung des Judentums durch das Christentum kaum verhüllt zurück, ein Bild , das längst überwunden schien. Es fällt schwer, darin keinen Zusammenhang mit fragwürdigen Entscheidungen dieses Papstes wie der Wiedereinführung der Fürbitte für die Juden im Karfreitagsgebet zu sehen.

Ein vorläufiges Glaubensbekenntnis

Das folgende Glaubensbekenntnis ist entstanden im Rahmen einer Kursreihe zu Bekenntnissen. Es ist eine spontane Formulierung und kann in seiner Vorläufigkeit vielleicht einladen, nach Worten für den eigenen Glauben zu suchen.

Weitere Texte sind hier zu finden.

Ich glaube

an einen mütterlichen und väterlichen Gott,

der uns das Leben gibt,

der uns zärtlich umfängt und uns begleitet auf allen unseren Wegen.

Ich glaube an Gott, der alles geschaffen hat,

der das Geheimnis des Lebens ist, manchmal nahe und manchmal fern.

Ich glaube an Gott, der Liebe ist, die geschieht,

wo wir einander wahrnehmen und füreinander einstehen.

Ich glaube, dass Gott das Gesicht Jesu trägt

und uns nahe sein will auch in den tiefsten Tiefen unseres Lebens.

Durch Jesus glaube ich an die Kraft der Hoffnung,

an die heilsame Macht der Vergebung,

an bedingungslose Liebe und den Weg der Gerechtigkeit und des Friedens.

Durch Jesus glaube ich, dass der Tod nicht das letzte Wort hat,

sondern die Liebe Gottes, die stärker ist als der Tod.

Durch Jesus glaube ich, dass wir berufen sind, füreinander einzustehen,

Gerechtigkeit zu suchen, einander zu vergeben und Frieden zu stiften.

Durch Jesus glaube ich, dass ich nicht stark sein muss und mich fallen lassen kann.

Ich glaube an den Geist, der uns verbindet,

an den Atem, der uns erfüllt,

an die Liebe, von der wir leben,

an den Geist des Widerstandes, der uns davor bewahrt,

uns mit dem abzufinden, was Gott nicht will,

an den Geist der Ergebung, der uns annehmen lässt,

was zu unserem Leben gehört,

an den Geist der Vernunft, der uns einen kritischen Blick und Forschergeist schenkt

und an den Geist der Weisheit,

der uns achtsam macht für das, was höher ist als alle Vernunft.

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