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Archive for Oktober 2010

Von der Freiheit eines Christenmenschen

31. Oktober 2010 2 Kommentare

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Martin Luther in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520)

Keine Angst vor niemand, weil von Gott bejaht und befreit, und dem Nächsten in Achtsamkeit und Liebe zugewandt – so verstehe ich Luthers Satz heute. Habt keine Angst vor denen, die euch Angst machen wollen, damit sie Macht über euch haben. Sorgt euch lieber darum, den nicht zu übersehen, der euch braucht.

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Dankbarkeit

24. Oktober 2010 4 Kommentare
„Und wenn wir Menschen nicht so blind und der Güter Gottes so überdrüssig und unachtsam wären, so wäre freilich kein Mensch auf Erden, er habe noch so viel Besitz; wenns zum Tausch kommen sollte, so nähme er kein Kaisertum noch Königreich dafür, wenn er dafür der (uns allen eigenen) Güter beraubt wäre. Denn was kann ein Königreich für ein Schatz sein im Vergleich zu einem gesunden Leibe. … Wenn die Sonne einen Tag nicht schiene, wer wollte nicht lieber tot sein? Oder was hülfe ihm all sein Gut und Herrschaft? Was wäre aller Wein und Sekt in aller Welt, wenn wir einen Tag des Wassers ermangeln sollten? Was wären alle hübschen Schlösser, Häuser, Samt, Seide, Purpur, goldenen Ketten und Edelsteine, alle Pracht, Schmuck und Hoffart, wenn wir ein Vaterunser lang die Luft entbehren sollten? – Solche Güter Gottes sind die grössten und (zugleich) die allerverachtetsten und deshalb, weil sie allgemein sind, dankt niemand Gott dafür, sie nehmen sie und brauchen diesselben täglich immer so dahin, als müsste es so sein …; fahren dieweil zu, haben was uns am Herzen liegt zu tun, sorgen, hadern, streiten, ringen und wüten um überflüssiges Geld und Gut, um Ehre und Wollust und in Summa um das, welches solchen obengenannten Gütern nicht das Wasser reichen könnte.“
aus: Martin Luther, Das schöne Confitemini (zu Ps 118), 1530
 

Sehen wir einmal von der etwas altertümlichen Sprache Luthers ab, so irritiert uns vielleicht immer noch der moralisierende Unterton. Aber ich denke, dass es viel zu kurz greift, wenn wir die wunderbaren Gedanken Luthers einfach als moralischen Appell: „Gib dich zufrieden mit dem, was du hast“ verstehen würden, zumal das leicht in eine falsche Selbstzufriedenheit umschlagen kann. Aber Luthers Vergleiche können uns helfen, die Dinge wieder ins richtige Verhältnis zu setzen. Es mag uns motivieren und antreiben, immer höhere Ziele zu erreichen, aber all dies kann nichts von dem ersetzen, was zu unseren elementaren Lebensgrundlagen gehört. Und  diese elementaren Lebensgrundlagen hat Gott allen Menschen zugedacht und es gibt keine Rechtfertigung dafür, sie zu privatisieren und anderen vorzuenthalten.

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Wie Feindbilder entstehen oder verstärkt werden

21. Oktober 2010 1 Kommentar

Als zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit Christian Wulff davon redete, dass der Islam zu Deutschland gehöre, gab es in konservativen Kreisen einen Aufschrei. Dabei sprach Wulff schlicht eine unübersehbare Tatsache aus (die in der Schweiz in der Schweiz ebenso selbstverständlich sein sollte). Und es war genau diese Feststellung, die ihm in dieser Woche die Legitimation verliehen hat, seine Aussage nur leicht variiert zu wiederholen: „Das Christentum gehört zur Türkei.“ Beide Aussagen verdienen Respekt, weil sie die Menschen ernstnehmen und wahrnehmen, die Religion praktizieren und diesen Menschen mit ihrer religiösen Tradition erst einmal das Vertrauen entgegenbringen, dass sie nicht trotz sondern gerade mit ihrer religiösen Tradition einen Beitrag zur Kultur des Landes leisten können, egal ob es nun ihre erste oder ihre zweite Heimat ist. Und sie weisen darauf hin, dass der Respekt und die Offenheit für unterschiedliche Traditionen und Religionen ein wesentlicher Teil dessen ist, was unsere Kultur ausmacht.

Statt an diese elementaren Dinge anzuknüpfen, haben einige es für nötig gehalten, wieder einmal eine Leitkulturdebatte anzuzetteln, die letztlich keine andere Funktion hat, als aus Emotionen politisches Kapital zu schlagen und vermeintlich Fremdes und Fremde auszugrenzen. Was hier geschieht, hat Thomas Assheuer in der Zeit präzise beschrieben: „Man sieht, sobald die jüdisch-christliche Überlieferung in die Mühlen der Kulturkämpfer gerät, passiert etwas Ungeheuerliches: Die biblische Friedensbotschaft verwandelt sich in eine weltliche Feindschaftsadresse. Ausgerechnet Juden- und Christentum sollen dabei behilflich sein, den islamischen Monotheismus als kulturell unverträglich zu definieren, um ihn semantisch aus der deutschen Wertegemeinschaft auszuschliessen.“

Es wäre die vornehmste Aufgabe der christlichen Kirchen, denen mit Nachdruck zu widersprechen, die die jüdisch-christliche Überlieferung dazu missbrauchen, das „Andere“ auszugrenzen. Denn wir wissen um unseren eigenen weiten Weg hin zu einer vorbehaltlosen Bejahung von Religionsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zugleich wissen wir darum, dass diese modernen Grundwerte zutiefst in der biblischen Tradition verwurzelt, aber nicht unser alleiniger Besitz sind.

Kategorien:Fundamentalismus, Islam, Politisches Schlagwörter:

Noch einmal – Gedanken zur Sarrazin-Debatte

19. Oktober 2010 9 Kommentare

Immer wieder ist zu lesen, dass die Argumente und Thesen Thilo Sarrazins von einer medialen Öffentlichkeit geradezu niedergeknüppelt würden, die sich zum Anwalt einer fragwürdigen Political Correctness mache. In den letzten Tagen und Wochen frage ich mich aber zunehmend, ob nicht eher das Gegenteil der Fall ist und sich das gesellschaftliche Klima nicht nur aber auch auf dem Hintergrund dieser Debatte auf beunruhigende Weise verschärft.

Die zunehmenden Wähleranteile rechtspopulistischer und integrationsfeindlicher Parteien in Europa sind nicht erst seit Sarrazin zu beobachten. Vergangene Woche wurde in den Niederlanden eine Minderheitsregierung vereidigt, die sich auf die islamfeindliche und xenophobe Partei von Geert Wilders stützt. In der Schweiz wurde im vergangenen Jahr ein Verbot von Minaretten per Volksabstimmung in der Verfassung verankert und bald schon steht eine Ausschaffungsinitiative zur Abstimmung, die zumindest in Spannung zu Teilen des Völkerrechts steht und nach Meinungsumfragen gute Chancen hat, angenommen zu werden. Der bayrische Ministerpräsident will die Zuwanderung aus der Türkei und arabischen Ländern generell stoppen und findet in den Unionsparteien in Deutschland kaum Widerspruch. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die kürzlich die Äusserungen von Sarrazin noch als wenig hilfreich kritisiert hat, wird heute in der Presse mit der Feststellung zitiert, Multikulti sei absolut gescheitert.

Selbstverständlich bedeutet Integration nicht nur fördern, sondern auch fordern und setzt den Integrationswillen und die Integrationsbemühungen derer voraus, die integriert werden sollen. Das ist eine Binsenweisheit und das darf und soll auch unterstrichen werden. Wenn dabei allerdings ein Klima entsteht, das Migranten zuerst einmal dem Verdacht aussetzt, sie seien generell nicht integrationswillig oder gar tendenziell kriminell, dann ist das Ziel nicht bessere Integration, sondern Ausgrenzung und Abwehr. Manches in der Debatte der letzten Wochen deutet für mich in diese Richtung und das ist in meinen Augen extrem beunruhigend.

Ja, man darf die Dinge beim Namen nennen. Nur darf dies nicht dazu führen, religiöse oder ethnische Gruppen unter Generalverdacht zu stellen. Und die Erkenntnis, dass eine multikulturelle Gesellschaft wesentlich anspruchsvoller ist als manche Romantiker sich das vorgestellt haben, macht es noch lange nicht wahr, dass die multikulturelle Gesellschaft gescheitert sei. Wir haben multikulturelle Gesellschaften und es kommt darauf an, das Zusammenleben in diesen multikulturellen Gesellschaften so zu gestalten, dass der Friede gewahrt bleibt und ein Zusammenleben auf der Basis gemeinsamer grundlegender Werte gelingt. Es ist zu billig, dass jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Es braucht die Akzeptanz gemeinsamer grundlegender Werte, die auch eingefordert werden darf. Wer aber Multikulti für absolut gescheitert erklärt – auch wenn damit ein bestimmtes romantisches Multikultimodell gemeint sein sollte, weckt damit die Illusion, es gäbe einen Weg zu einer homogenen Gesellschaft. Und genau diese Illusion gebiert immer wieder fremdenfeindliche Tendenzen.

Als Nachtrag noch ein Link zum Blog des Zeit-Redakteurs Jörg Lau, der sich auf Angela Merkels Absage an den Multikulturalismus bezieht: http://blog.zeit.de/joerglau.

Kategorien:Islam Schlagwörter:

Brauchen wir mehr Sarrazins?

13. Oktober 2010 2 Kommentare

Anlässlich eines Artikels der Schriftstellerin Thea Dorn in der Zeit (http://pdf.zeit.de/2010/40/Meinungsfreiheit.pdf) äussere ich mich heute zu einem gesellschaftspolitischen Thema. Dieser Artikel drückt in meinen Augen am Beispiel der Sarrazin-Debatte eine wachsende Stimmung aus, die sich auf den Nenner bringen lässt: Irgendwie stellt er ja doch die richtigen Fragen und wir brauchen mehr Leute, die so klare Positionen vertreten. Diese Stimmung finde ich beunruhigend.

Der Artikel von Thea Dorn ist erfrischend geschrieben und beim flüchtigen Lesen verdient Einiges Zustimmung. Tatsächlich hätte Luther, wie Dorn zu Beginn ihres Artkels schreibt, heute kaum Chancen zum EKD-Ratsvorsitzenden gewählt zu werden und dass ein Mangel an kantigen, meinungsfreudigen und profilierten Persönlichkeiten herrscht und zu viele sich übervorsichtig am Mainstream orientieren, ist kaum zu bestreiten. Mehr Mut, eine eigene Meinung poinitiert zu vertreten – diesem Anliegen kann ich nur zustimmen und es mag jeder zunächst sich selbst danach befragen.

Beim genaueren Hinsehen schleicht sich bei mir aber auch ein grosses Unbehagen ein. Um zuerst einmal beim pointierten Einstieg von Thea Dorn zu bleiben: ich würde mir heute nicht unbedingt einen Luther mit seinen unversöhnlichen und im Alter z.T. auch verbitterten Zügen als EKD-Ratsvorsitzenden wünschen, von seinen antijudaistischen Aussagen ganz zu schweigen (auch wenn ich dabei natürlich den historischen Abstand in Rechnung stelle und Luther heute sicher in vielem anders reden und schreiben würde). Und wenn bei Erwähnung aller Unterschiede ein Thilo Sarrazin dann doch zum Musterbeispiel einer solchen meinungsstarken Persönlichkeit wie in seiner Zeit ein Luther erklärt wird, dann bleibt mir nur noch Kopfschütteln. Ist das nicht selbst ein Beispiel der kritisierten Stromlinienförmigkeit, wenn die Meinungsfreudigkeit von Sarrazin gerühmt wird, wobei die Autorin vermutlich von sich weisen würde, mit den Inhalten dieser Meinungen von Sarrazin identifiziert zu werden? Es ist ja zu einer beliebten Haltung geworden, dass Sarrazin gewiss in vielem übertreibt, aber irgendwie doch recht hat. Das erspart das vertiefte eigene Nachdenken und zugleich kann man selber im Versteck bleiben. Und sollen wir uns wirklich einen Berserker wie Franz-Josef Strauss zurückwünschen – nur aus einer diffusen Sehnsucht nach starken Persönlichkeiten mit klaren Positionen?

Auch wenn ich die Kritik an einer diffusen Unverbindlichkeit teile und mir wünsche, dass Menschen auch meinen, was sie sagen und ihre Positionen klar vertreten, bin ich doch auch überzeugt, dass Kompromisslosigkeit und Meinungsfestigkeit nicht schon an sich ein Wert sind. Sie können auch Zeichen von Engstirnigkeit und Unbelehrbarkeit sein (siehe Sarrazin).

In Kirche, Politik und Gesellschaft brauchen wir mutige Leute, die klare Positionen vertreten. Aber wir brauchen zugleich deren Besonnenheit, Gesprächsbereitschaft und Kompromissbereitschaft. Die Sehnsucht nach dem starken Mann (oder auch wahlweise der starken Frau) ist keine Lösung für die heutigen Herausforderungen. Und vielleicht ist eine gewisse Rücksicht auf den Mainstream, der ja auch ein Rest von gesellschaftlichem Konsens sein könnte, der Preis, den wir für den gesellschaftlichen Frieden zu zahlen haben.

Allerdings steigt mit zuviel Mainstream und Political Correctness das Unbehagen und der gesellschaftliche Frieden gerät ebenfalls ins Wanken. Was es braucht sind aber nicht mehr Sarrazins, sondern mehr mutige Leute, die den Sarrazins nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Argumenten widersprechen und Menschen, die die Ängste verunsichern, mit denen Sarrazin spielt, ernstnehmen und nicht zum Schweigen bringen.

Kategorien:Islam, Politisches Schlagwörter:

Freiheit

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!

Steht also fest und lasst euch nicht wieder

in das Joch der Knechtschaft einspannen.“

(Galaterbrief 5,1)

Kategorien:Freiheit Schlagwörter:

Was ich noch sagen wollte …

3. Oktober 2010 3 Kommentare


Hört auf das, was euer Herz berührt.
Seid hellwach und lasst euch nicht belehren.
Achtet auf die kleinen Dinge.
Seid zärtlich und behutsam.
Glaubt an euch und glaubt an eure Mitmenschen.
Gebt um Himmels willen niemand auf.
Lasst euch nicht entmutigen.
Lasst euch nicht verhärten.
Bleibt berührbar.
Denkt daran, dass ihr wichtig seid.
Denkt daran, dass euer Tun Bedeutung hat.
Sucht die Menschen, für die ihr wichtig seid.
Seid grosszügig und verzeiht.
Verliert nicht den Mut.
Kämpft nicht allein.
Traut dem Leben.
Lasst euch fallen
in Gottes Hand.

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