Unser Lebenshaus bauen
Wer sein Leben auf das Vertrauen gründet,
dass in allem Gottes gute Hand ihn leitet,
der wird erschüttert werden,
aber nicht fallen.
Wer sein Leben auf die Hoffnung gründet,
dass auf das Dunkel der Nacht ein neuer Morgen folgt,
der wird Grund zum Klagen haben,
aber er wird nicht aufgeben.
Wer sein Leben auf die Liebe gründet,
die niemanden aufgibt,
der wird Enttäuschungen erleben,
aber er wird reich beschenkt werden.
Im Zeichen des Regenbogens
Heute war bei uns der Konfirmationssonntag. Die Jugendlichen hatten sich das Symbol des Horizonts für ihre Konfirmation ausgesucht. Meine Konfpredigt zu 1. Mose 9,12-17 ist hier zu lesen.
Die Sintflutgeschichte ist ja eigentlich eine ziemlich verrückte und auch grausame Geschichte. Sie spielt mit der Idee, dass Gott genug haben könnte von den Menschen und setzt diese Idee
ins Bild. Sie erzählt von einem Gott, der sagt: Ihr baut soviel Mist. Ich habe genug von euch – und der dann die ganze schöne Schöpfung einfach in den Fluten absaufen lässt. Oder zumindest beinahe. Denn da ist noch dieser Noah, der mitten auf dem Festland eine Arche baut – und dank dieser Arche geht die Geschichte weiter. Die Sintflutgeschichte spielt mit dieser Idee – und zeigt
doch am Ende, dass Gott ganz anders ist. Am Ende sagt Gott: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und wie zur Bekräftigung heisst es dann: Das ist der Bund, den ich für alle Zeiten mit euch und mit allen lebenden Wesen bei euch schließe. Als Zeichen dafür setze ich meinen Bogen in die Wolken. Er ist der sichtbare Garant für die Zusage, die ich der Erde mache.14 Jedes Mal, wenn ich Regenwolken über der Erde zusammenziehe, soll der Bogen in den Wolken erscheinen,15 und dann will ich an das Versprechen denken, das ich euch und allen lebenden Wesen gegeben habe: Nie wieder soll das Wasser zu einer Flut werden, die alles Leben vernichtet.16 Der Bogen wird in den Wolken stehen, und wenn ich ihn sehe, wird er mich an den ewigen Bund erinnern, den ich mit allen lebenden Wesen auf der Erde geschlossen habe.17 Dieser Bogen«, sagte Gott zu Noach, »ist das Zeichen für den Bund, den ich jetzt mit allen lebenden Wesen auf der Erde schließe.« (1. Mose 9,12-17)
Immer wenn wir einen Regenbogen am Himmel sehen, soll uns das daran erinnern, dass Gott es gut mit uns meint und zu uns steht, was auch immer geschieht. Das ist der Horizont, in dem wir leben.
Ein Gott, der uns liebt und der Ja zu uns sagt und der eben nicht kleinlich unsere Leistungen belohnt und unsere Fehler bestraft. Ein Gott, der uns zeigt, dass wir uns an unseren Leistungen freuen dürfen und dass es toll ist, etwas leisten zu können – ganz unabhängig davon, welchen Lohn das bringt. Ein Gott, der uns aufrichtet und hilft, wenn wir Fehler machen, statt uns Moralpredigten
zu halten und Strafen anzudrohen – selbst wenn wir tatsächlich an unseren Fehlern selber schuld sind. Das Zeichen des Regenbogens ist ein Zeichen der Grosszügigkeit und der Treue, ein Zeichen der Liebe Gottes, die sich durch nichts erschüttern lässt.
Oft reden wir von einem weiten Horizont, wenn jemand viel weiss. Aber viel wichtiger noch finde ich etwas anderes. Es gibt nämlich Menschen, die wissen unheimlich viel, sind hervorragend ausgebildet und haben es ziemlich weit gebracht. Und trotzdem ist ihr Horizont eingeschränkt, weil sie nur sich selber und den eigenen Nutzen und Vorteil sehen. Und das finde ich eigentlich die
tragischste Einschränkung unseres Horizonts. Wenn wir alles danach beurteilen, was es uns bringt oder ob wir es müssen oder was dabei herausspringt, dann sind wir wirklich arm dran. Weil es nämlich zu den beglückendsten Erfahrungen im Leben gehört, wenn ich spüre, dass jemand für mich einfach so da ist und mir hilft, mich unterstützt und wenn ich spüre, dass ich selber jemandem etwas Gutes tun kann. Und ich bin überzeugt, wenn ihr jemandem wirklich eine Freude machen könnt, dann ist es euch völlig egal, ob ihr etwas dafür bekommt oder nicht. Die gute Erfahrung, die Freude des anderen ist der grösste Lohn. Mit das grösste Glück im Leben ist es, anderen etwas zu geben ohne zu fragen, ob sie es auch verdient haben und was ich dafür bekomme und wenn ich etwas Gutes erfahre, ohne dass der andere auf den ersten Blick etwas davon hat.
Und noch ein letztes – und damit kehre ich auch wieder zum Regenbogen zurück. Was wir sehen können, was sichtbar in unserem Horizont liegt, das ist nur die Aussenseite unseres Lebens – und auch
davon nur ein Teil. Wenn es nicht mehr gäbe als das sichtbare und beweisbare wären wir arm dran. Ich zumindest bin überzeugt, dass wir in unserem Leben ein Grundvertrauen brauchen, dass das Leben gut ist und dass, was auch immer auf uns zukommt, ein Ja über unserem Leben steht. Für dieses Ja in unserem Leben steht Gott, steht der Regenbogen in unserem Predigttext. Er steht für die
Zusage Gottes, dass er uns niemals fallen lässt, was auch immer wir tun und was uns auch widerfahren mag. Jeder und jede von uns ist für Gott wichtig, niemanden lässt er im Stich.
Macht Glauben glücklich?
Unter diesem Titel ist in der ZEIT ein Interview mit dem Theologen Heinrich Bedford-Strohm erschienen, das ich nur empfehlen kann. Darin sagt Bedford-Strohm u.a.: „Der Erlanger Glücksforscher Karl-Heinz Ruckriegel hat einmal verschiedene Ratschläge zum Glücklichsein gegeben, die alle die Relevanz des christlichen Glaubens unterstreichen. Etwa: Üben Sie Dankbarkeit! Dankbarkeit ist geradezu der Kern des christlichen Verhältnisses zum Schöpfer. Oder: Lernen Sie zu vergeben! Das gehört zum Kern des Vaterunsers, die Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Erkenntnis der eigenen Schwächen. Oder: Leben Sie im Hier und Jetzt! Da denkt man gleich an die Vögel in der Bergpredigt, die weder säen noch ernten, aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch. Wenn also die Botschaft des Evangeliums in einer Form vermittelt wird, die den modernen Menschen berührt, dann wird Kirche zur Orientierung für das persönliche Leben heute.“
Dabei will Bedford-Strohm den Glauben keinesfalls als nützliche Strategie zum Glück verkaufen. Er hält vielmehr daran fest, dass Glauben nicht nutzenorientiert ist und die Kirche auch keine Bundesagentur für Werte sein kann. Spannend finde ich aber, wie es ihm gelingt, hier Parallelen zwischen uralten biblischen Geschichten und Glaubenseinsichten mit den Ergebnissen eines Glücksforschers in Verbindung zu bringen. Es gilt, das Schwierige leicht zu sagen – und das ist eine hohe Kunst.
Welches sind eure biblischen Motive und Geschichten, welches wären eure einfachen Sätze, die für moderne Menschen eine gute Botschaft und eine Lebenskraft sein könnten? Ich bin gespannt auf eure Gedanken und Anregungen.
Irritationen II
»Was Gott verspricht, das muss das Leben halten« (Lou Andreas-Salomé)
…
…
…
…
… und kann es doch nicht …
Der junge Mann Jesus auf der Suche nach sich selbst
Können Sie sich das vorstellen, dass Jesus einmal ein Teenager oder junger Erwachsener war, der ein Vorbild, ein Idol hatte, das ihn faszinierte und dem er nacheiferte. So befremdlich für manchen diese Vorstellung sein mag – so ähnlich muss es wohl gewesen sein. Der heranwachsende Jesus hat von Johannes dem Täufer gehört, der alles hinter sich gelassen hat und, wie man sich erzählte, nur mit einem Kamelhaarmantel bekleidet in der judäischen Wüste lebte, sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährte und die Menschen zur Umkehr rief. Dieser Johannes kannte offenbar keine Furcht und keinen falschen Respekt vor den Autoritäten seiner Zeit, nicht vor den Pharisäern und Schriftgelehrten und auch nicht vor dem König Herodes. Kompromisslos, konsequent und entschieden war er und erfüllt von einer tiefen Frömmigkeit. Jesus ist ihm auch begegnet und wir können uns vielleicht sogar vorstellen, wie sehr diese Radikalität und Furchtlosigkeit den jungen Mann Jesus fasziniert haben mag. Viele Bibelforscher vermuten sogar, dass Jesus eine Zeitlang zum Kreis Johannes des Täufers gehört haben könnte. Ja, wir dürfen uns Jesus von Nazareth als einen jungen Mann auf der Suche nach sich selbst vorstellen, als einen der sich nicht damit zufrieden gab, in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und die Dinge einfach so zu nehmen wie sie nun einmal sind. Wir dürfen uns vorstellen, dass er nicht bereit war, die römische Herrschaft einfach so hinzunehmen und ihn der Prunk des Herodes und die Macht der Schriftgelehrten empörten und er sich nicht so leicht damit abfinden wollte, dass es Oben und Unten, arm und reich gab, als sei dies ein gottgegebenes Schicksal. Er sehnte sich nach einem Leben, das sich radikal an Gott ausrichtete und in dem er einen Sinn sehen konnte. Johannes verkörperte für ihn einen solchen radikalen und alternativen Lebensstil, die Frömmigkeit, die er suchte.
Meine ganze Predigt zu Matthäus 4,12-17 ist hier zu lesen.
Achtet das Kleine
Bethlehem, die kleine und unbedeutende Stadt, wird beim Propheten Micha zur Quelle von Heil und Frieden. Deshalb spielt die Weihnachtsgeschichte des Lukas in Bethlehem. In meiner Weihnachtspredigt habe ich den Predigttext Micha 5,1-4a unter die Überschrift gestellt: Achtet das Kleine.
Es kommt nicht darauf an ein anderer zu werden, sondern der andere zu sein, der wir in Gottes Augen schon sind, sein geliebtes Kind. Denn er erwählt das Kleine, uns Kleine. Und niemand ist zu klein um Menschlichkeit zu erfahren und andere Menschlichkeit erfahren zu lassen.
Wenn wir Weihnachten feiern, dann spüren wir hoffentlich etwas von dieser Sehnsucht nach Frieden, die in uns steckt, von dem Bedürfnis, zuhause zu sein in unserem Leben, sich versöhnen zu können mit der eigenen Geschichte und hoffentlich können wir glauben, dass Gott das Kleine und Zerbrechliche erwählt und auch uns seine Nähe zuspricht. Und er ermutigt uns, die vielen Gelegenheiten zur Menschlichkeit zu erkennen und sie zu ergreifen.
Die ganze Predigt ist hier zu lesen.
Wer bin ich?
Der evang. Theologe und Widerstandskämpfer im 3. Reich Dietrich Bonhoeffer hat in seinen Gefängnisbriefen, die unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht wurden, ein eindrückliches Gedicht geschrieben (http://www.klawi.de/bonwer.htm). Es heisst „Wer bin ich?“ und geht den widersprüchlichen Erfahrungen nach, die Bonhoeffer im Gefängnis macht. Er wird von anderen bewundert für seine Gelassenheit, Festigkeit und Stärke und erlebt sich selbst so oft unruhig, innerlich zerrissen und schwach.
„… Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
… Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“
Auf eindrückliche Weise zeigt sich in diesem Gedicht die moderne Frage nach der Identität – und führt sie am Ende zurück auf ihren Ursprung: „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ In diesem Vertrauen auf eine nicht feststellbare, von Gott geschenkte Identität kann Bonhoeffer die Frage „wer bin ich?“ offen lassen, das Fragmentarische und Widersprüchliche in seinem Leben aushalten.
Heute ist in spirituellen Büchern manchmal zu lesen, Trennung sei eine Illusion. Wir müssten diese Illusion lediglich überwinden, um zur wahren Einheit zu gelangen. Mir leuchtet der Gedanke eines ungetrennten Seins bei Gott oder im Grunde unserer Seele durchaus ein. Diese Einheit ist real und doch nicht vorfindlich. Denn die Erfahrung von Brüchen und Trennungen ist ebenso real und keine Illusion. Unser Sein ist im Werden, aber eben nicht so, dass wir die „Illusion der Trennung“ hinter uns lassen, sondern indem sich unser Leben an und in den Brüchen entfaltet und wir darauf verzichten, Einheit oder Identität selbst erreichen zu wollen – weil eben das, was wir erreichen wollen, meist nicht unsere Identität ist.
Die Gefahr des Terminus „Illusion der Trennung“ sehe ich darin, dass er uns vorspiegelt, wir selbst könnten einfach etwas – nämlich diese Illusion – hinter uns lassen und dann unsere wahre Identität leben. Genau darin sehe ich aber die eigentliche Illusion und zugleich einen ungeheuren Druck, weil die Erfahrung von Brüchen dann letztlich zum Ausweis meiner eigenen spirituellen Defizite erklärt wird. Und wer an den Brüchen seines Lebens leidet, der muss sich dann scheinbar darüber hinwegsetzen, indem er sich die „Illusion der Trennung“ bewusst macht oder er ist selber schuld, weil offenbar noch nicht zur wahren Erkenntnis gelangt. Das ist jetzt vielleicht etwas scharf formuliert, aber tendenziell halte ich diesen Terminus entweder für schönfärberisch oder gnadenlos.
„An die Stelle des Seins tritt eine Performanz“, schreibt Giannina Wedde im Klanggebet-Blog (http://klanggebet.wordpress.com/2010/11/30/sei-was-du-bist-nicht-was-du-sein-willst/). Das ist wunderbar formuliert. Dann bin ich selber wieder derjenige/diejenige, der/die etwas etwas aus sich machen muss. Identität aber – davon bin ich überzeugt – gibt es nur geschenkt. Sie wird (nicht: sie ist!), wo ich das Streben loslassen kann, sie zu erreichen und in dem leben kann, was ist mit all den Brüchen und mich dem anvertrauen kann, was im Werden ist – und doch immer bruchstückhaft bleibt. „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“
Wenn ich könnte …
Wenn ich könnte,
gäbe ich jedem Kind
eine Weltkarte…
Und wenn möglich,
einen Leuchtglobus,
in der Hoffnung,
den Blick des Kindes
aufs äusserste zu weiten
und in ihm
Interesse und Zuneigung zu wecken
für alle Völker,
alle Rassen,
alle Sprachen,
alle Religionen!
Dom Hélder Câmara, Der Traum von einer anderen Welt